Historischer Überblick

Phase 1: Von den ersten sozialdemokratischen Vereinen bis zum Ende der Monarchie

Grundvoraussetzung für das Entstehen der sozialdemokratischen Bewegung war die industrielle Revolution. Diese bewirkte zu Beginn des 19. Jahrhunderte einen Wandel der Gesellschaftsstruktur. Mit Verspätung setzen ihre Wirkungen auch in Österreich ein. Mitte des Jahrhunderts hatte sich eine weitgehend entrechtete Schicht von Arbeitern und Lohnabhängigen gebildet. Karl Marx erkannte die Ursachen ihres Elends und lieferte mit seinen Werken das ideologische Fundament für die entstehenden Arbeiterbewegungen. Diese wurden zunächst noch brutal unterdrückt. Erst infolge der Verfassung des Jahres 1867 war eine eingeschränkte politische Tätigkeit erlaubt. Schnell bildeten sich in ganz Österreich sozialdemokratisch gesinnte Arbeiterbildungsvereine. In der Steiermark entstand die erste derartige Organisation 1868 in Graz. Nachdem sich immer mehr Menschen in sozialdemokratischen Vereinen zu organisieren begannen, setzte zu Beginn der 1870er-Jahre eine massive behördliche Repressionswelle ein. In dieser Zeit entwickelte sich die Steiermark zu einem Zentrum der Bewegung. Dies führte dazu, dass die politische Zentrale infolge des ersten Parteitages im Jahr 1874 nach Graz verlegt wurde. Aufgrund ständiger Repression von staatlicher Seite bestand das Zentralkomitee jedoch nur für kurze Zeit.

In der zweiten Hälfte der 1870e-Jahre hatte die steirische Sozialdemokratie mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen. Neben der erwähnten staatlichen Repression führte eine Wirtschaftskrise zu hoher Arbeitslosigkeit. Dieser Umstand erhöhte den Druck auf die Arbeiterschaft und senkte gleichzeitig ihre Bereitschaft sich gewerkschaftlich zu organisieren. Innerhalb der Bewegung entbrannte außerdem ein erbitterter Konflikt zwischen Gemäßigten und Radikalen. Der gemäßigte Flügel sprach sich für die Änderung der bestehenden Verhältnisse auf evolutionärem Wege aus. Dabei sollte innerhalb des bestehenden Systems durch gewerkschaftliche Arbeit, Demonstrationen und Bildungsarbeit für ein faires Wahlrecht, Pressefreiheit und bessere Arbeitsbedingungen gekämpft werden. Der radikale, meist anarchistisch orientierte Flügel, lehnte diese Vorgehensweise als nicht zielführend ab. Seine Vertreter strebten eine revolutionäre Umwälzung an und schreckten auch vor Anschlägen nicht zurück. Letztlich erhöhten sie damit jedoch nur die staatliche Repression gegenüber der Gesamtbewegung, die zu dieser Zeit ohnehin jegliche sozialdemokratische Betätigung als anarchistisch brandmarkte. Eine 1880 in Mürzzuschlag einberufene Einigungskonferenz scheiterte an den großen Differenzen zwischen den beiden Lagern. Es zeigte sich in den folgenden Jahren, dass eine Mehrheit der organisierten Arbeiterschaft, vor allem in Graz, dem anarchistischen Flügel nahestand. Dies änderte sich erst in der zweiten Hälfte der 1880er-Jahre langsam. Unter dem Einfluss von Josef Pongratz und Josef Gans gewann die Gemäßigten immer stärker an Bedeutung. Der entscheidende Impuls zur Versöhnung der Lager kam letztlich von außen. Victor Adler, der in Wien bereits die unumstrittene Führungsfigur der Sozialdemokratie war, bereiste die Steiermark mehrmals und schaffte es schließlich die gröbsten Differenzen zwischen beiden Lagern auszuräumen. So beteiligten sich schließlich auch sieben steirische Delegierte am Einigungsparteitag von Hainfeld. Unter ihnen stimmte nur der Führer des anarchistischen Flügels gegen das neue Programm.

Nach dem Parteitag gewann die Sozialdemokratie auch in der Steiermark immer mehr an Stärke. Der 1. Mai 1890 wurde bereits von zehntausenden Menschen begangen. Trotz ausdrücklichen Verbots durch die Staatsmacht ruhte die Arbeit fast allerorts. Im selben Jahr erfolgte die Gründung der Parteizeitung „Arbeiterwille“. Sie fungierte bis 1934 als Sprachrohr der Bewegung. 1891 trat die Sozialdemokratie erstmals zu einer Reichsratswahl an. Aufgrund des herrschenden Wahlrechts, dass eine Mindeststeuerleistung als Teilnahmehürde voraussetzte, war die Partei jedoch chancenlos. Dennoch wurde der legale Weg forciert. Vor allem der Kampf um das allgemeine Wahlrecht stand dabei in den folgenden Jahren im Vordergrund. Der sozialdemokratische Druck wurde schließlich so groß, dass es 1897 zur Schaffung einer allgemeinen Kurie kam, für die keine Steuerleistung erforderlich war. Dadurch bekam die Sozialdemokratie erstmals die Chance auf Mandate. Wie stark die steirische Bewegung bereits war zeigt die Tatsache, dass Hans Resel als einziger Genosse aus dem Gebiet des heutigen Österreichs im Wahlkreis Graz und Umgebung in den Reichsrat einzog. Noch unfairer als das Wahlrecht auf Reichsebene war jenes in den steirischen Gemeinden. Es schloss im Schnitt fast 90 Prozent der Bevölkerung aus. Dennoch gelang der steirischen Sozialdemokratie auch dort schrittweise der Durchbruch in die dritte Kurie. Dort waren kleine Gewerbetreibende und einige gutverdienende Arbeiter wahlberechtigt. Ihre Zahl erhöhte sich aufgrund der guten Wirtschaftslage gegen Ende des 19. Jahrhunderts deutlich. 1898 gelang es der Sozialdemokratie schließlich in den Gemeinderat von Eggenberg einzuziehen. Ein historischer Erfolg wurde ein Jahr später in Graz erzielt. Als erste Sozialdemokraten schafften Hans Resel und Josef Pongratz den Einzug in den Gemeinderat einer österreichischen Großstadt.

Das 20. Jahrhundert begann für die Sozialdemokratie so erfolgreich wie das letzte geendet hatte. In immer mehr Gemeinden schaffte die Bewegung den politischen Durchbruch. Vor allem die industrialisierten Teile der Obersteiermark entwickelten sich Schritt für Schritt zu sozialdemokratischen Hochburgen. Gleichzeitig wurde die Gewerkschaftsbewegung immer stärker. Von 1903 bis 1905 stieg die Zahl der gewerkschaftlich organisierten Personen in der Steiermark sprunghaft von 11.648 auf 21.097 an. Die Parteizeitung „Arbeiterwille“ entwickelte sich unterdessen immer stärker zu einem Massenblatt. Ab 1900 erschien sie täglich in einer Auflage von 8.000 Stück. Auf politischer Ebene blieben die Themen Arbeit, Meinungsfreiheit und Wahlrecht bestimmend. 1904 wurde auf großen sozialdemokratischen Druck eine neue Landtagswahlordnung beschlossen. Diese war zwar noch weit von einer wirklichen Gleichberechtigung entfernt, sicherte aber die Schaffung einer neuen Kurie, in der alle Personen unabhängig von ihrem Einkommen wahlberechtigt waren. Sie konnten jedoch nur acht von insgesamt 71 Mandataren wählen. Die Sozialdemokratie kam steiermarkweit auf 31,4 Prozent der Stimmen und setzte sich in zwei Wahlkreisen durch. Hans Resel siegte in Graz, während Michael Schacherl eine äußerst knappe Wahl im Wahlkreis Leoben gewann.

Die zunehmende Stärke der Sozialdemokratie konnte jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie noch keinerlei Einfluss auf die Legislative hatte. Das Kurienwahlrecht sorgte trotz aller schrittweiser Verbesserungen für den Erhalt des Status Quo. Um endlich wirkliche Gleichberechtigung an der Wahlurne zu erreichen beschloss die Sozialdemokratie auf dem Parteitag des Jahres 1905 Massenstreiks zu planen. Am 28. November desselben Jahres ruhte fast in allen steirischen Regionen die Arbeit. Letztlich lenkte die Regierung ein und beschloss allen Männern das allgemeine, gleiche und freie Wahlrecht zuzugestehen. Für die sozialdemokratische Bewegung war diese Reform der bisher größte Erfolg. Mit viel Elan ging die Partei daher in die Reichsratswahl des Jahres 1907. Die Steiermark wurde in dreißig Wahlkreise eingeteilt. 23 davon waren deutschsprachig, während sieben mehrheitlich von Slowenen bewohnt wurden. In der Steiermark gewann die Sozialdemokratie hinter den Christlich-Sozialen die zweitmeisten Stimmen. Insgesamt konnte die Mehrheit der Wähler in sechs Wahlkreisen überzeugt werden. Das steirische Ergebnis lag bezogen auf Stimmenanteil und Mandate leicht über dem österreichischen Durchschnitt. Im Reichsrat entfielen 87 von 516 Mandaten auf die sozialdemokratische Fraktion. Einen weiteren Erfolg brachte die Landtagswahl des Jahres 1909. Auf Basis eines im Vergleich zu 1904 leicht verbesserten Wahlrechts zogen nun fünf Sozialdemokraten in den Landtag ein. In der allgemeinen Kurie gewann man die meisten Stimmen. Ein letzter historischer Erfolg gelang in Graz. 1914 wurde Alois Ausobsky zum ersten sozialdemokratischen Vizebürgermeister Österreichs gewählt.

Der sozialdemokratische Aufschwung wurde durch den Ausbruch des Ersten Weltkrieges gedämpft. Wie im restlichen Österreich standen die steirischen Genossen dem Krieg zunächst mehrheitlich neutral bis positiv gegenüber. Je länger und verlustreicher er wurde, desto stärker wandelte sich diese Haltung. Vor allem die de facto Ausschaltung des Parlamentarismus wurde kritisiert. Mit der Zeit verschlechterte sich auch die Lage der Arbeiterschaft durch die Einführung des Kriegsleistungsgesetzes. Dadurch wurden die wenigen mühsam erkämpften arbeitsrechtlichen Fortschritt der letzten Jahre wieder rückgängig gemacht. Aufgrund des wachsenden Drucks von sozialdemokratischer Seite kam es schließlich am 30. Mai 1917 zu einer Sitzung des Reichsrates. Ende des Jahres tagte auch der Grazer Gemeinderat wieder. Bis Jänner 1918 spitzte sich die Situation jedoch weiter dramatisch zu. Der vierte Kriegswinter brachte neues Leid über die ausgehungerte Bevölkerung. Gleichzeitig war die Situation in den Industriebetrieben endgültig unhaltbar geworden. Beginnend mit dem 17. Jänner begann in ganz Österreich Streiks. Erst als die Regierung den sozialdemokratischen Forderungen nach der Aufhebung des Kriegsleistungsgesetzes und der Einsetzung nachgab, kam es zu einer Wiederaufnahme der Arbeit. Diese Einigung hatte der Monarchie jedoch nur einen Aufschub verschafft. Als die Kriegslage im Oktober 1918 immer verzweifelter wurde löste sich das Habsburgerreich schnell auf. In der Steiermark übernahm ein Wohlfahrtsausschuss unter sozialdemokratischer Führung schrittweise die Regierungsgewalt. Der Aufbruch in ein neues Zeitalter begann.


Phase 2: Die Sozialdemokratie in der Ersten Republik

Nach der Abdankung Kaiser Karls wurde am 12. November 1918 die Republik Deutsch-Österreich ausgerufen. In der Steiermark erfolgte die offizielle Proklamation vom Balkon des Grazer Schauspielhauses aus. Die erste österreichische Demokratie hatte von Anfang an mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen. Unsichere Grenzen, Hunger und Arbeitslosigkeit waren ihre frühen Begleiter. Erst langsam nahm das Territorium Gestalt an. Die Steiermark verlor alle mehrheitlich slowenischsprachigen Gebiet sowie die zweitgrößte Stadt Marburg. Auf politischer Ebene konnte die Sozialdemokratie bei den Wahlen zur konstituierenden Nationalversammlung einen Erfolg erringen. Erstmals wurde die Bewegung zur stärksten Partei und stellte mit Karl Renner den Bundeskanzler. Bei den steirischen Landtagswahlen am 11. Mai 1919 siegten jedoch die Christlich-Sozialen. Aufgrund des Proporzsystems war die Sozialdemokratie dennoch erstmals Teil der Landesregierung. Auf Gemeindeebene erzielte die Partei ebenfalls große Erfolge. In der Landeshauptstadt Graz und in den wichtigsten Industriegemeinden regierten ab 1919 sozialdemokratische Bürgermeister. Die Bundesregierung begann unterdessen ein umfassendes Reformprogramm auszuarbeiteten. Es bildete die Basis für einen modernen demokratischen Sozialstaat. Erstmals bekam die große Masse der Bevölkerung grundlegende Rechte zugestanden. In vielerlei Hinsicht waren die sozialdemokratischen Maßnahmen eine demokratische Revolution.

Um die sozialen Errungenschaften der Regierung Renner abzusichern kam es 1920 zur Schaffung der Arbeiterkammern. Diese sollten als staatliche Interessensvertretung die Rechte der ArbeitnehmerInnen wahren. Über ihre Zusammensetzung entschieden diese per Wahl selbst. Die ersten steirischen Arbeiterkammerwahlen fanden am 13. März 1921. Den Erwartungen entsprechend trug die sozialdemokratische Freie Gewerkschaft einen großen Sieg davon. Auf sie entfielen 58 von 64 Mandaten. Während der gesamten Zeit der Ersten Republik änderte sich wenig an diesem Kräfteverhältnis. Ein Jahr nach der ersten Wahl wurde mit den Vorbereitungen für den Bau eines Amtsgebäudes begonnen. Das dafür ausgewählte Grundstück lag in der Mariengasse zwischen der sozialdemokratischen Landesparteizentrale und dem Haus der Volksheimgenossenschaft. Bis 1926 konnte der Bau abgeschlossen werden. Neben der Arbeiterkammer befanden sich auch die Büros der Freien Gewerkschaft im neuen Amtsgebäude. Der gesamte Straßenzug hatte sich mit dessen Fertigstellung im Grunde genommen zum steirischen Zentrum für den Kampf um die Rechte der Arbeitnehmerschaft entwickelt. Angesichts der politischen Großwetterlage war die Arbeiterkammer bald der letzte verbliebenen sozialdemokratische Machtfaktor im Land.

Der 1919 abgeschlossenen Friedensvertrag von St. Germain reduzierte Österreich auf einen Bruchteil des Territoriums der Monarchie. Vor allem der Verlust einiger deutschsprachiger Gebiete empörte die Bevölkerung zusätzlich. Gleichzeitig wurde im Vertrag eine engere Anbindung an Deutschland, die alle Parteien anstrebten, untersagt. Trotz aller Bürden war die Annahme der Friedensbestimmungen durch die Regierung Renner letztlich unumgänglich. Konservative und nationale Kreise gaben jedoch den Sozialdemokraten die Schuld am Vertrag und den daraus resultierenden Problemen. Gleichzeitig wandten sie sich schrittweise von der Demokratie ab. Letztlich hielt die große Koalition unter Führung von Renner nur noch bis Ende des Jahres 1920. Die darauffolgenden Wahlen gewann die Christlich-Soziale Partei. Daraufhin zog sich die Sozialdemokratie in die Opposition zurück. Diese Rolle sollte sie bis zum Ende der Ersten Republik innehaben. In der Steiermark schied die Sozialdemokratische Partei aufgrund des Proporzsystems nicht aus der Landesregierung aus. So verblieben ihr zumindest einige Mitbestimmungsmöglichkeiten. Besser war die Situation auf Gemeindeebene. Die Landeshauptstadt Graz und alle größeren Industriegemeinden blieben auch nach 1920 fest in sozialdemokratischer Hand. Nach dem Vorbild der Kommunalpolitik des Roten Wien wurden zahlreiche Reformmaßnahmen durchgeführt. Diese entfalteten trotz der beschränkten Möglichkeiten selbst Steuern einzuheben ihre Wirkung. Für die einfache Bevölkerung wandelten sich Städte wie Graz, Leoben oder Bruck an der Mur durch Infrastrukturprojekte und den Aufbau eines Sozialwesens zu besseren Orten.

Ein wesentliches Merkmal der Ersten Republik war die voranschreitende Radikalisierung des politischen Lebens. Verschärft wurde diese durch das nichtvorhandene Gewaltmonopol des Staates. Neben Polizei, Gendarmerie und Bundesheer bestanden zu Beginn der Ersten Republik zahlreiche paramilitärische Verbände, die zunächst für die Sicherung der noch nicht fixierten Grenzen zuständig waren. Nachdem das Staatsgebiet Österreichs Gestalt angenommen hatte, lösten sich diese konservativ bis faschistisch ausgerichteten Milizen jedoch nicht auf. In der Steiermark war der Steirische Heimatschutz die wichtigste Organisation dieser Art. Anfang fungierte er noch als loyale Parteiarmee der Christlich-Sozialen. Mit der Zeit fand aber eine immer deutlichere Annäherung an den Faschismus statt. Als Reaktion auf die Gefahr durch bewaffnete rechte Verbände gründete die Sozialdemokratie den Republikanischen Schutzbund. Wie der Name schon sagte sollte er zur Sicherung der Demokratie dienen. In der Steiermark erfolgte die Angelobung des Schutzbundes am 16. Oktober 1923. Als Obmann fungierte Hans Resel. Die militärische Leitung übernahm jedoch der erfahrene ehemalige Unteroffizier der k.u.k.-Armee Ludwig Oberzaucher. Dieser hatte als Soldatenrat wesentlichen Anteil am Übergang von der Monarchie zur Demokratie in der Steiermark. Der Schutzbund rekrutierte seine Mitglieder vor allem unter der Arbeiterschaft in Graz und den Industrieregionen. Im Laufe der Jahre stieg seine Stärke auf über 10.000 Mann an. Mit der Zeit steigerte sich auch die Militarisierung der Organisation immer weiter. Da sich die politische Lage Mitte der 1920er entspannte blieben Auseinandersetzungen zunächst aus.

Bei den Landtagswahlen des Jahres 1923 konnte die Sozialdemokratie ihr Ergebnis leicht steigern. Grundsätzlich blieb die politische Lage jedoch unverändert. Der Sozialdemokratie stand mit den Christlich-Sozialen, dem Landbund und der Großdeutschen Volkspartei ein fast doppelt so starkes rechtes Lager gegenüber. Dieses radikalisierte sich innerhalb und außerhalb des Landtages immer weiter. Zu einer ersten Eskalation kam es 1927. Zu Beginn des Jahres schossen Mitglieder der rechten Frontkämpfermiliz in Schattendorf auf einen sozialdemokratischen Demonstrationszug und töteten zwei Menschen. In einer aufgeheizten Stimmung fanden im April Landtagswahlen statt, bei denen die Sozialdemokratie mit Zugewinnen auf 37 Prozent kam, jedoch weiter deutlich hinter dem rechten Lager lag. Die nächste Eskalationsstufe markierte der Freispruch der Schattendorfer Schützen und der darauffolgende Brand des Justizpalastes in Wien am 14. Juli 1927. Die Steiermark entging in der Folge nur knapp einem Bürgerkrieg. Als Reaktion auf die Wiener Ereignisse wurde im gesamten Bundesland ein Verkehrsstreik ausgerufen. In Graz besetzte der Schutzbund Teile der Stadt. Unter der Führung von Koloman Wallisch bildete sich in Bruck an der Mur gleichzeitig ein „Arbeiterexekutivausschuss“ der den Ausnahmezustand ausrief. Eine Konfrontation mit dem Heimatschutz der 6.000 Mann mobilisiert hatte, konnte aufgrund der besonnenen Reaktion sozialdemokratischer Funktionäre verhindert werden. Der Streik endete einen Tag später. Eine wirkliche Normalisierung der Lage trat jedoch nicht ein. Viel mehr ähnelten die nächsten Jahre einem permanenten Ausnahmezustand. Gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen Schutzbund und Heimwehr wurden immer häufiger. Bei der brutalsten dieser Art starben 1929 in St. Lorenzen drei Menschen.

Bei den Landtagswahlen des Jahres 1930 wurde die Sozialdemokratie erstmals zur stärksten Partei. Dies war jedoch weniger ihrer eigenen Stärke, sie verlor vor allem in der Obersteiermark an Stimmen, als viel mehr der Spaltung des rechten Lagers geschuldet. Bei der Wahl des Landeshauptmannes stimmte die bereits zerstrittene Rechte jedoch vereint für den Christlich-Sozialen Anton Rintelen. Dieser sollte sich in den nächsten Jahren immer weiter vom demokratischen Konsens entfernen. Generell sorgte die Wirtschaftskrise in Verbindung mit der daraus resultierenden Massenarbeitslosigkeit für eine Verschlechterung der ohnehin bereits angespannten politischen Situation. In dieser Situation übernahm 1932 Engelbert Dollfuß das Amt des Bundeskanzlers. Er arbeitete von Anfang an mit großer Zielstrebigkeit auf die Zerstörung der Demokratie hin. Eine Geschäftsordnungskrise nutzte er im März 1933 als Vorwand um das Parlament auszuschalten. Wenig später kam es zu einem Verbot des Schutzbundes. Außerdem wurde der Sozialdemokratie erstmals seit 1916 die Abhaltung der traditionellen Maifeiern untersagt. Wie auf Bundesebenen reagierte die Partei auch in der Steiermark sehr zögerlich auf die Angriffe. Dabei bildeten sich auch innerparteiliche Bruchstellen. Mitglieder der Sozialistischen Jungfront forderten mit Nachdruck ein energischeres Vorgehen gegen die Regierungsrepression. Sie konnten sich jedoch nicht durchsetzen. So steuerte das Land in immer größeren Schritten auf die Diktatur zu. Durch die Einschränkung der Presse- und Versammlungsfreiheit geschwächt, konnte dagegen auf legalem Wege weder effektiv demonstriert noch medial vorgegangen werden. Dies führte dazu, dass sich immer mehr junge GenossInnen von der Partei abwandten. Diese Entwicklung bedingte eine schrittweise Schwächung der Schlagkraft von Sozialdemokratie, Gewerkschaft und Schutzbund. Ende 1933 kam es schließlich zur Entmachtung der Arbeiterkammer. Per Verordnung wurde in der Steiermark die Amtszeit des Präsidenten Hans Muchitsch mit Ablauf des Jahres für beendet erklärt. An Stelle der gewählten Vertretung sollte ein von Christlich-Sozialen dominiertes Gremium treten. Die Sozialdemokratie reagierte mit dem Boykott der Arbeiterkammer auf diese Schikane. Zu Beginn des Jahres 1934 erhöhte die Regierung den Druck mit Hausdurchsuchungen Schritt für Schritt weiter. In dieser Situation entschied sich der Linzer Schutzbundführer das Feuer auf die Exekutive zu eröffnen. Diese Handlung löste am 12. Februar 1934 den allgemeinen Aufstand des Schutzbundes aus. Letztlich scheiterte dieser letzte Versuch die Demokratie zu retten jedoch schnell. Dennoch kam es vor allem in Graz und den obersteirischen Industrieregionen zu schweren Kämpfen. Zahlreiche Menschen auf beiden Seiten verloren dabei ihr Leben. Nach Ende der Kämpfe nahm das Regime grausame Rache an der Sozialdemokratie. So wurde in Graz der Gewerkschaftsfunktionär Josef Stanek, der nachweislich keinen Schuss abgegeben hatte, hingerichtet. Koloman Wallisch leitete zunächst die Kämpfe in Bruck an der Mur und floh anschließend. Das Standrecht auf dessen Basis alle Todesurteile gegen Februarkämpfer verhängt wurden blieb bis zu seiner Verhaftung bestehen. Wallisch wurde schließlich im Landgericht Leoben abgeurteilt. Seine Hinrichtung erfolgte am 19. Februar 1934. Die Exekutionen von Wallisch und Stanek sind Lehrbuchbeispiele für Justizmorde. Nach Ende des Ausnahmezustandes blieben viele sozialdemokratische FunktionärInnen noch monatelang in Haft. Dafür wurden extra eigene Anhaltelager wie Messendorf, Waltendorf oder Wöllersdorf geschaffen. Viele GenossInnen kämpften jedoch später weiter.


Phase 3: Die steirische Sozialdemokratie im Untergrund

Grundvoraussetzung für das Entstehen der sozialdemokratischen Bewegung war die industrielle Revolution. Diese bewirkte zu Beginn des 19. Jahrhunderte einen Wandel der Gesellschaftsstruktur. Mit Verspätung setzen ihre Wirkungen auch in Österreich ein. Mitte des Jahrhunderts hatte sich eine weitgehend entrechtete Schicht von Arbeitern und Lohnabhängigen gebildet. Karl Marx erkannte die Ursachen ihres Elends und lieferte mit seinen Werken das ideologische Fundament für die entstehenden Arbeiterbewegungen. Diese wurden zunächst noch brutal unterdrückt. Erst infolge der Verfassung des Jahres 1867 war eine eingeschränkte politische Tätigkeit erlaubt. Schnell bildeten sich in ganz Österreich sozialdemokratisch gesinnte Arbeiterbildungsvereine. In der Steiermark entstand die erste derartige Organisation 1868 in Graz. Nachdem sich immer mehr Menschen in sozialdemokratischen Vereinen zu organisieren begannen, setzte zu Beginn der 1870er-Jahre eine massive behördliche Repressionswelle ein. In dieser Zeit entwickelte sich die Steiermark zu einem Zentrum der Bewegung. Dies führte dazu, dass die politische Zentrale infolge des ersten Parteitages im Jahr 1874 nach Graz verlegt wurde. Aufgrund ständiger Repression von staatlicher Seite bestand das Zentralkomitee jedoch nur für kurze Zeit.

In der zweiten Hälfte der 1870e-Jahre hatte die steirische Sozialdemokratie mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen. Neben der erwähnten staatlichen Repression führte eine Wirtschaftskrise zu hoher Arbeitslosigkeit. Dieser Umstand erhöhte den Druck auf die Arbeiterschaft und senkte gleichzeitig ihre Bereitschaft sich gewerkschaftlich zu organisieren. Innerhalb der Bewegung entbrannte außerdem ein erbitterter Konflikt zwischen Gemäßigten und Radikalen. Der gemäßigte Flügel sprach sich für die Änderung der bestehenden Verhältnisse auf evolutionärem Wege aus. Dabei sollte innerhalb des bestehenden Systems durch gewerkschaftliche Arbeit, Demonstrationen und Bildungsarbeit für ein faires Wahlrecht, Pressefreiheit und bessere Arbeitsbedingungen gekämpft werden. Der radikale, meist anarchistisch orientierte Flügel, lehnte diese Vorgehensweise als nicht zielführend ab. Seine Vertreter strebten eine revolutionäre Umwälzung an und schreckten auch vor Anschlägen nicht zurück. Letztlich erhöhten sie damit jedoch nur die staatliche Repression gegenüber der Gesamtbewegung, die zu dieser Zeit ohnehin jegliche sozialdemokratische Betätigung als anarchistisch brandmarkte. Eine 1880 in Mürzzuschlag einberufene Einigungskonferenz scheiterte an den großen Differenzen zwischen den beiden Lagern. Es zeigte sich in den folgenden Jahren, dass eine Mehrheit der organisierten Arbeiterschaft, vor allem in Graz, dem anarchistischen Flügel nahestand. Dies änderte sich erst in der zweiten Hälfte der 1880er-Jahre langsam. Unter dem Einfluss von Josef Pongratz und Josef Gans gewann die Gemäßigten immer stärker an Bedeutung. Der entscheidende Impuls zur Versöhnung der Lager kam letztlich von außen. Victor Adler, der in Wien bereits die unumstrittene Führungsfigur der Sozialdemokratie war, bereiste die Steiermark mehrmals und schaffte es schließlich die gröbsten Differenzen zwischen beiden Lagern auszuräumen. So beteiligten sich schließlich auch sieben steirische Delegierte am Einigungsparteitag von Hainfeld. Unter ihnen stimmte nur der Führer des anarchistischen Flügels gegen das neue Programm.

Nach dem Parteitag gewann die Sozialdemokratie auch in der Steiermark immer mehr an Stärke. Der 1. Mai 1890 wurde bereits von zehntausenden Menschen begangen. Trotz ausdrücklichen Verbots durch die Staatsmacht ruhte die Arbeit fast allerorts. Im selben Jahr erfolgte die Gründung der Parteizeitung „Arbeiterwille“. Sie fungierte bis 1934 als Sprachrohr der Bewegung. 1891 trat die Sozialdemokratie erstmals zu einer Reichsratswahl an. Aufgrund des herrschenden Wahlrechts, dass eine Mindeststeuerleistung als Teilnahmehürde voraussetzte, war die Partei jedoch chancenlos. Dennoch wurde der legale Weg forciert. Vor allem der Kampf um das allgemeine Wahlrecht stand dabei in den folgenden Jahren im Vordergrund. Der sozialdemokratische Druck wurde schließlich so groß, dass es 1897 zur Schaffung einer allgemeinen Kurie kam, für die keine Steuerleistung erforderlich war. Dadurch bekam die Sozialdemokratie erstmals die Chance auf Mandate. Wie stark die steirische Bewegung bereits war zeigt die Tatsache, dass Hans Resel als einziger Genosse aus dem Gebiet des heutigen Österreichs im Wahlkreis Graz und Umgebung in den Reichsrat einzog. Noch unfairer als das Wahlrecht auf Reichsebene war jenes in den steirischen Gemeinden. Es schloss im Schnitt fast 90 Prozent der Bevölkerung aus. Dennoch gelang der steirischen Sozialdemokratie auch dort schrittweise der Durchbruch in die dritte Kurie. Dort waren kleine Gewerbetreibende und einige gutverdienende Arbeiter wahlberechtigt. Ihre Zahl erhöhte sich aufgrund der guten Wirtschaftslage gegen Ende des 19. Jahrhunderts deutlich. 1898 gelang es der Sozialdemokratie schließlich in den Gemeinderat von Eggenberg einzuziehen. Ein historischer Erfolg wurde ein Jahr später in Graz erzielt. Als erste Sozialdemokraten schafften Hans Resel und Josef Pongratz den Einzug in den Gemeinderat einer österreichischen Großstadt.

Das 20. Jahrhundert begann für die Sozialdemokratie so erfolgreich wie das letzte geendet hatte. In immer mehr Gemeinden schaffte die Bewegung den politischen Durchbruch. Vor allem die industrialisierten Teile der Obersteiermark entwickelten sich Schritt für Schritt zu sozialdemokratischen Hochburgen. Gleichzeitig wurde die Gewerkschaftsbewegung immer stärker. Von 1903 bis 1905 stieg die Zahl der gewerkschaftlich organisierten Personen in der Steiermark sprunghaft von 11.648 auf 21.097 an. Die Parteizeitung „Arbeiterwille“ entwickelte sich unterdessen immer stärker zu einem Massenblatt. Ab 1900 erschien sie täglich in einer Auflage von 8.000 Stück. Auf politischer Ebene blieben die Themen Arbeit, Meinungsfreiheit und Wahlrecht bestimmend. 1904 wurde auf großen sozialdemokratischen Druck eine neue Landtagswahlordnung beschlossen. Diese war zwar noch weit von einer wirklichen Gleichberechtigung entfernt, sicherte aber die Schaffung einer neuen Kurie, in der alle Personen unabhängig von ihrem Einkommen wahlberechtigt waren. Sie konnten jedoch nur acht von insgesamt 71 Mandataren wählen. Die Sozialdemokratie kam steiermarkweit auf 31,4 Prozent der Stimmen und setzte sich in zwei Wahlkreisen durch. Hans Resel siegte in Graz, während Michael Schacherl eine äußerst knappe Wahl im Wahlkreis Leoben gewann.

Die zunehmende Stärke der Sozialdemokratie konnte jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie noch keinerlei Einfluss auf die Legislative hatte. Das Kurienwahlrecht sorgte trotz aller schrittweiser Verbesserungen für den Erhalt des Status Quo. Um endlich wirkliche Gleichberechtigung an der Wahlurne zu erreichen beschloss die Sozialdemokratie auf dem Parteitag des Jahres 1905 Massenstreiks zu planen. Am 28. November desselben Jahres ruhte fast in allen steirischen Regionen die Arbeit. Letztlich lenkte die Regierung ein und beschloss allen Männern das allgemeine, gleiche und freie Wahlrecht zuzugestehen. Für die sozialdemokratische Bewegung war diese Reform der bisher größte Erfolg. Mit viel Elan ging die Partei daher in die Reichsratswahl des Jahres 1907. Die Steiermark wurde in dreißig Wahlkreise eingeteilt. 23 davon waren deutschsprachig, während sieben mehrheitlich von Slowenen bewohnt wurden. In der Steiermark gewann die Sozialdemokratie hinter den Christlich-Sozialen die zweitmeisten Stimmen. Insgesamt konnte die Mehrheit der Wähler in sechs Wahlkreisen überzeugt werden. Das steirische Ergebnis lag bezogen auf Stimmenanteil und Mandate leicht über dem österreichischen Durchschnitt. Im Reichsrat entfielen 87 von 516 Mandaten auf die sozialdemokratische Fraktion. Einen weiteren Erfolg brachte die Landtagswahl des Jahres 1909. Auf Basis eines im Vergleich zu 1904 leicht verbesserten Wahlrechts zogen nun fünf Sozialdemokraten in den Landtag ein. In der allgemeinen Kurie gewann man die meisten Stimmen. Ein letzter historischer Erfolg gelang in Graz. 1914 wurde Alois Ausobsky zum ersten sozialdemokratischen Vizebürgermeister Österreichs gewählt.

Der sozialdemokratische Aufschwung wurde durch den Ausbruch des Ersten Weltkrieges gedämpft. Wie im restlichen Österreich standen die steirischen Genossen dem Krieg zunächst mehrheitlich neutral bis positiv gegenüber. Je länger und verlustreicher er wurde, desto stärker wandelte sich diese Haltung. Vor allem die de facto Ausschaltung des Parlamentarismus wurde kritisiert. Mit der Zeit verschlechterte sich auch die Lage der Arbeiterschaft durch die Einführung des Kriegsleistungsgesetzes. Dadurch wurden die wenigen mühsam erkämpften arbeitsrechtlichen Fortschritt der letzten Jahre wieder rückgängig gemacht. Aufgrund des wachsenden Drucks von sozialdemokratischer Seite kam es schließlich am 30. Mai 1917 zu einer Sitzung des Reichsrates. Ende des Jahres tagte auch der Grazer Gemeinderat wieder. Bis Jänner 1918 spitzte sich die Situation jedoch weiter dramatisch zu. Der vierte Kriegswinter brachte neues Leid über die ausgehungerte Bevölkerung. Gleichzeitig war die Situation in den Industriebetrieben endgültig unhaltbar geworden. Beginnend mit dem 17. Jänner begann in ganz Österreich Streiks. Erst als die Regierung den sozialdemokratischen Forderungen nach der Aufhebung des Kriegsleistungsgesetzes und der Einsetzung nachgab, kam es zu einer Wiederaufnahme der Arbeit. Diese Einigung hatte der Monarchie jedoch nur einen Aufschub verschafft. Als die Kriegslage im Oktober 1918 immer verzweifelter wurde löste sich das Habsburgerreich schnell auf. In der Steiermark übernahm ein Wohlfahrtsausschuss unter sozialdemokratischer Führung schrittweise die Regierungsgewalt. Der Aufbruch in ein neues Zeitalter begann.


Phase 4: Von 1945 bis zur Gegenwart

Zu Beginn der Zweiten Republik lag eine gewaltige Herausforderung vor der sozialdemokratischen Bewegung. Die Steiermark war von fünf verschiedenen Mächten besetzt und Zerstörung sowie Hunger waren allgegenwärtig. In dieser schwierigen Situation gelang es jedoch eine provisorische Verwaltung zu etablieren. Mit Reinhard Machold als Landeshauptmann an der Spitze begann sich die Steiermark in langsamen Schritten zu normalisieren. Ende Juli 1945 übernahm die britische Armee von der Sowjetunion die Militärverwaltung. Sie setzten die Landesregierung zunächst ab, betrauten Machold, der ein gutes Einvernehmen mit dem Militärbefehlshaber fand, jedoch mit der Bildung einer neuen Regierung. Am 25. November fanden schließlich die ersten Wahlen in der Zweiten Republik statt. Dabei konnten die WählerInnen über die Zusammensetzung der Parlamente auf Bundes- Landes- und Gemeindeebene entscheiden. Nicht stimmberechtigt waren ehemalige Mitglieder der NSDAP. Zur Wahl traten lediglich SPÖ, ÖVP und KPÖ an. Letztlich zeigte das Ergebnis, dass die politische Landschaft in der Steiermark im Vergleich zur Ersten Republik fast unverändert blieb. Die ÖVP kam auf 53 Prozent, während sich die Sozialdemokratie mit 41,6 Prozent begnügen musste. Das kommunistische Lager blieb eine Randerscheinung. Mit der Wahl von Anton Pirchegger zum Landeshauptmann endete am 28. Dezember die kurze Phase der sozialdemokratisch geführten Landesregierung. Die Sozialdemokratie stellte jedoch den Bürgermeister in den größten Gemeinden des Landes. In den nächsten Jahren stand vor allem die Wiederaufbauarbeit im Vordergrund des politischen Handelns der Partei.

Eine der entscheidenden politischen Fragen der unmittelbaren Nachkriegsjahre betraf den Umgang mit ehemaligen Nationalsozialisten. Innerhalb der Sozialdemokratie entbrannte schnell eine heftige Diskussion darüber. Die steirischen Verantwortungsträger sprachen sich dabei fast geschlossen für eine milde Behandlung aus. Dies hatte vor allem zwei Gründe. Man wusste, dass viele einfache Parteimitglieder sich nach 1938 den Nationalsozialisten angeschlossen hatte und wollte vor allem die ehemals NS-affinen Teile der Arbeiterschaft nicht vor den Kopf stoßen. Außerdem erhoffte die SPÖ sich von der schnellen Wiedereingliederung ehemaliger Nationalsozialisten in das politische Leben, eine Spaltung des rechten Lagers. Je mehr Zeit nach Kriegsende verging, desto stärker tendierte auch die öffentliche Meinung in Richtung einer milden Behandlung. Bereits 1947 kam es zu ersten Lockerungen. Zwei Jahre später bekamen ehemalige Mitglieder der NSDAP wieder das aktive und passive Wahlrecht zugestanden. Diese führte zur, von der SPÖ wohlwollend verfolgten, Gründung des Verbandes der Unabhängigen als Sammelpartei des dritten Lagers. Die Hoffnungen, dass diese Partei vor allem der ÖVP Stimmen kosten würde erfüllten sich österreichweit bei den Wahlen 1949 nicht. In der Steiermark wirkte sich das Antreten der neuen Partei bei der Landtagswahl, die ebenfalls 1949 stattfand, eher negativ auf die ÖVP aus. Der VdU erreichte aus dem Stand 14,5 Prozent und fand vor allem Zuspruch bei der in Teilen antiklerikal eingestellten bäuerlichen Bevölkerung, welche in der Ersten Republik den Landbund favorisierte. Trotz starker Verluste blieb die ÖVP auch 1949 stärkste steirische Partei. Ehemalige Nationalsozialisten schlossen sich in der Folge nicht ausschließlich dem VdU an, sondern fanden auch ihren Weg in die beiden Großparteien. Auf sozialdemokratischer Seite war vor allem der BSA ein wichtiger Anlaufpunkt für sie.

In den frühen 1950er-Jahren begann sich das Leben in der Steiermark schrittweise zu normalisieren. Trotz noch immer bestehender Probleme setzte langsam wieder ein normaler Alltag ein. Dieser Befund gilt auch für die Politik. Im Hinblick auf die Wahlen war jene des Jahres 1953, die letzte bei der das dritte Lager mit 13,6 Prozent noch eine Rolle spielte. Die SPÖ wurde wie auf Bundesebene knapp zur stärksten Partei, konnte aber aufgrund eines Wahlsystems, das Stimmen aus ländlichen Gebieten leicht bevorzugte nicht die meisten Mandate erreichen. Spätestens mit dem Abschluss des Staatsvertrages verlor der VdU an Bedeutung. Er ging in der FPÖ auf und spielte für Jahrzehnte keine Rolle mehr. Ebenso verschwand die KPÖ für viele Jahrzehnte von der großen politischen Bühne. Ab 1957 gestalteten ÖVP und SPÖ die Steiermark viele Jahrzehnte lang alleine. Wobei die ÖVP tonangebend war. Der Sozialdemokratie gelang es auf Landesebene die gesamten 1960er-Jahre lang nicht an die Volkspartei heranzukommen. Tatsächlich vergrößerte sich der Abstand von Wahl zu Wahl. In dieser Phase vollzog die Partei ab 1960 einen Generationenwechsel in dessen Verlauf Alfred Schachner den jahrzehntelangen Vorsitzenden Reinhard Machold ablöste. In den darauffolgenden Jahren erneuerte sich die auch die gesamte Regierungsmannschaft. Dieser Prozess war Teil einer umfassenden Modernisierung, welche die Partei in eine neue Ära führte.

Das Jahr 1970 war ein Wendepunkt für die gesamte sozialdemokratische Bewegung. Mit Bruno Kreisky wurde erstmals in der Zweiten Republik ein SPÖ-Politiker zum Bundeskanzler gewählt. Steirische GenossInnen, allen voran der Landesparteivorsitzende Alfred Schachner, hatten ihn auf seinem Weg zum Parteivorsitzenden von Anfang an unterstützt. Nur zwei Wochen nach der Nationalratswahl fanden in der Steiermark Landtagswahlen statt. Mit dem Schwung des Sieges im Rücken erreichte die SPÖ das beste Ergebnis aller Zeiten. 44,7 Prozent der SteirerInnen gaben ihre Stimme für die Sozialdemokratie ab. Letztlich reichte dieses Ergebnis nicht um die ÖVP, welche unter der Führung von Josef Krainer sen. auf 48,6 Prozent kam, zu überholen. In den folgenden Jahren vergrößerte sich der Abstand zwischen den beiden Parteien weiter. Dabei zeigte sich ein Phänomen, das die politische Landschaft in der Steiermark lange prägen sollte. Eine große Zahl an Menschen gaben bei Nationalratswahlen ihre Stimme für die SPÖ und bei Landtagswahlen für die ÖVP ab. Diese Diskrepanz ist am deutlichsten Ende der 1970er-Jahre zu beobachten gewesen. Während die SPÖ bei der Landtagswahl 1978 nur 40,3 Prozent erreichte, kam sie bei der Nationalratswahl, die nur knapp sieben Monate später stattfand auf 51 Prozent. Ob dieser Unterschied eher auf die Stärke Bruno Kreiskys oder die Schwäche der sozialdemokratischen Parteiführung in der Steiermark rund um Adalbert Sebastian zurückzuführen ist, kann nicht abschließend geklärt werden. Letztlich waren die 1970er und frühen 1980er-Jahre jedoch eindeutig die Glanzzeit der sozialdemokratischen Bewegung in Österreich.

Der Rücktritt von Bruno Kreisky nach dem Verlust der absoluten Mehrheit läutete einen langwährenden Abwärtstrend für die SPÖ ein. Dieser wurde von einem Aufstieg des Rechtspopulismus rund um Jörg Haiders FPÖ begleitet. Die Krise der verstaatlichten Industrie, welche das Land Mitte der 1980er-Jahre erschütterte wirkte sich ebenfalls negativ auf die SPÖ aus. Gleichzeitig erschien mit den Grünen eine neue Bewegung auf der politischen Bühne. Vor allem junge und urbane Menschen, die bisher auf Seiten der SPÖ waren, fühlten sich von der neuen Bewegung stark angesprochen. All diese Faktoren führten dazu, dass die Sozialdemokratie nach alleine bei der Landtagswahl 1986 fünf Prozent verlor und das zweitschlechteste Ergebnis in der Zweiten Republik einfuhr. Dieser Trend setzte sich 1991 fort. Da die grüne Bewegung und der Aufstieg der FPÖ auch der ÖVP schadete war das lange dominierende faktische Zweiparteiensystem spätestens 1991 Geschichte. Erstmals seit 1953 waren in der Landesregierung nicht mehr nur Politiker von SPÖ und ÖVP vertreten. Auf die neuen Gegebenheiten reagierte die Sozialdemokratie bereits in den 1980er-Jahren mit personellen Veränderungen. Hans Gross fungierte fast das gesamte Jahrzehnt als Landesparteivorsitzender und Landeshauptmannstellvertreter. Gleichzeitig stieg Alfred Stingl in Graz zum Parteivorsitzenden und Bürgermeister auf. Beide standen vor allem für eine gesellschaftspolitische Erneuerung und die Öffnung in Richtung Umweltthemen. Letztlich konnte der grüne Aufstieg dadurch zumindest gebremst werden. Von einer Mehrheit in der Steiermark war die SPÖ aber weit entfernt.

Im Jahr 1995 stand die Steiermark, bedingt durch große Verluste der Volkspartei, knapp vor einem Machtwechsel. Unter der Führung von Peter Schachner-Blazizek kam die SPÖ auf 35,9 Prozent und erreichte gleich viele Mandate wie die ÖVP. In dieser Situation erklärte sich die FPÖ zu einer Zusammenarbeit bereit. Das gute Verhältnis zwischen Schachner-Blazizek und dem freiheitlichen Landesparteivorsitzenden Schmid war die Grundlage für diese angedachte Kooperation. Letztlich scheiterte die Koalition jedoch an einem Veto des Bundeskanzlers. Er pochte auf die Einhaltung seiner Abgrenzungsdoktrin gegenüber der FPÖ. Im Jahr 2000 schied die SPÖ nach 30 Jahren aus der Bundesregierung aus. Eine Koalition aus ÖVP und FPÖ wollte das Land reformieren, brachte jedoch nur Sozialabbau und vielfache Korruption zustande. Der steirischen Sozialdemokratie gelang es im Jahr 2005, als die Bundesregierung immer mehr an Beliebtheit verlor, die ÖVP zerstritten, die FPÖ gespalten war unter Franz Voves zur stimmenstärksten Partei zu werden. Zum ersten Mal seit 1945 stellte sie in der Folge auch den Landeshauptmann. Diese goldene Ära der steirischen Sozialdemokratie dauerte bis 2015 an. In diesem Zeitraum wurden zahlreich Reformen durchgeführt. Diese waren zwar oft notwendig, jedoch auch so einschneidend, dass sie ab 2010 nicht geringe Teile der Bevölkerung gegen die Regierung aufbrachten. Vor allem die Kürzungen im Sozialsystem stießen viele Menschen vor den Kopf. Letztlich verlor die SPÖ bei den Landtagswahlen des Jahres 2015, blieb jedoch stärkste Kraft. Landeshauptmann Voves machte jedoch sein Versprechen wahr, bei unter 30 Prozent zurückzutreten. Umstrittener als diese Entscheidung war die Übergabe des Landeshauptmannes an die ÖVP. Im Grunde genommen sucht die stolze steirische Sozialdemokratie seither einen Weg zurück zu alter Stärke.