1929: Schwere Zusammenstöße in St. Lorenzen im Mürztal

Die relative politische Ruhe in Österreich war spätestens nach den Schüssen von Schattendorf, denen im Jänner 1927 zwei Menschen, darunter ein Kind, zum Opfer fielen, zu Ende. Im Juli desselben Jahres wurden drei Mitglieder der rechten Frontkämpfervereinigung, welche den Angriff auf die sozialdemokratische Kundgebung durchgeführt hatten, von einem Gericht freigesprochen. Daraufhin setzten aufgebrachte Demonstranten den Justizpalast in Brand. Als Resultat radikalisierten sich die politischen Lager immer mehr. Sowohl Heimwehr als auch Schutzbund rüsteten ab 1927 massiv auf. Gewalttätige Zusammenstöße kamen nun immer häufiger vor. Vor diesem Hintergrund plante die sozialdemokratische Bezirksorganisation Bruck an der Mur für den 18. August 1929 eine Feier zum zehnjährigen Bestehen der Ortsgruppe St. Lorenzen im Mürztal. Nach Bekanntgabe des Termins entschied sich der Heimatschutz dazu am selben Tag und im selben Ort einen Aufmarsch durchzuführen. Die Behörden verabsäumten es auf die vorherzusehende Auseinandersetzung angemessen zu reagieren. So kam es zu einer Konfrontation zweier 1.500 Personen umfassenden Gruppen. In deren Verlauf starben drei Menschen. Dazu kamen noch mehrere Dutzend Verletzte. Ernsthafte Versuche zur Aufarbeitung der von Heimatschützern provozierten Auseinandersetzung gab es in der Folge nicht. Die Zusammenstöße von St. Lorenzen im Mürztal waren bis zum Bürgerkrieg das brutalste Aufeinandertreffen der verfeindeten politischen Lager. Ähnliche Auseinandersetzungen standen jedoch in diesen Jahren fast schon an der Tagesordnung. Insbesondere die Heimwehren tendierten immer stärker zum Faschismus und spielten offen mit einem Putsch. Das Blutbad von St. Lorenzen im Mürztal war in einem größeren Zusammenhang betrachtet daher ein weiterer Schritt in Richtung einer nicht mehr umkehrbaren politischen Radikalisierung. Für diese Entwicklung war die wenig später beginnende Weltwirtschaftskrise ein weiterer Katalysator.

Denkmal für die Opfer von St. Lorenzen.
Denkmal für die Opfer von St. Lorenzen.