1921: Die Arbeiterkammer

In den ersten beiden Jahren nach Gründung der Republik beschloss die sozialdemokratische Regierung eine Reihe von bahnbrechenden Sozialgesetzen. Dazu gehörte die Einführung des 8-Stunden-Tages, des Urlaubsanspruchs und der betrieblichen Mitbestimmung. Zur Absicherung dieser Errungenschaften wurde am 26. Februar 1920 die Arbeiterkammer als staatliche Vertretung der Arbeitnehmerinteressen etabliert. Ihre Zusammensetzung erfolgte auf der Grundlage von Wahlen in den Bundesländern. In der Steiermark fand die ersten Arbeiterkammerwahl am 12. und 13. März 1921 statt. Sie endete mit einem überwältigenden Sieg der sozialdemokratischen Freien Gewerkschaften. Diese errangen insgesamt 58 der 64 Mandate. Zum ersten Arbeiterkammerpräsidenten wurde Hans Muchitsch gewählt. Da die Sozialdemokratie seit 1920 nicht mehr in der Regierung war, fungierte die Arbeiterkammer als Bollwerk gegen Versuche die Reformen der ersten Regierungsjahre rückgängig zu machen. Nicht zuletzt deshalb war sie dem bürgerlichen Lager ein Dorn im Auge. Die steirische Sozialdemokratie blickte hingegen mit Stolz auf die Arbeiterkammer. Symbol dieses Selbstverständnisses war der Bau eines großzügigen Amtsgebäudes in der Grazer Mariengasse. Den konservativen Parteien war die Macht der Arbeiterkammer von Anfang an ein Dorn im Auge. Für sie zählte die Institution zum „revolutionären Schutt“, den es zu beseitigen galt. Daher ist es nicht verwunderlich, dass im Zuge der schleichenden Ausschaltung des demokratischen Systems die Arbeiterkammer Ende 1933 gleichgeschaltet wurde. Per Verordnung verlor Hans Muchitsch mit Ablauf des Jahres das Amt des Präsidenten. Vorstand und Vollversammlung wurden durch eine Verwaltungskommission ersetzt in der die Christliche Gewerkschaft entgegen der Ergebnisse der letzten Kammerwahl die Mehrheit der Vertreter stellten. Als Reaktion kam es zum Boykott der Arbeiterkammer durch die Sozialdemokratie. Nach Ende des Zweiten Weltkrieges wurde die Arbeiterkammer wiedererrichtet und ist bis heute ein Bollwerk für die Interessen der Arbeitnehmerschaft.