1899: Die Steiermark ist erneut Vorreiter

Anders als auf der Reichsebene blieb die Bevölkerungsmehrheit bei Gemeinderatswahlen auch nach 1897 massiv benachteiligt. Durch das Kurienwahlrecht waren die meisten Steirerinnen und Steirer von der demokratischen Teilhabe ausgeschlossen. In den steirischen Gemeinden wurden die Wähler anders als auch Reichsebene in drei Klassen eingeteilt. Nur wer eine gewisse Steuerleistung erbrachte konnte einer der Kurien angehören. Im Normalfall waren dies nur um die 10 Prozent der Gesamtbevölkerung. Trotz dieser schwierigen Ausgangslage trat die Sozialdemokratie seit Mitte der 1890er-Jahre regelmäßig zu Gemeinderatswahlen an. Gegen Ende des Jahrzehntes stieg die Zahl der wahlberechtigten Arbeiter und kleinen Gewerbetreibenden aufgrund einer guten Wirtschaftslage deutlich an. 1898 gelang der Sozialdemokratie in Eggenberg, das damals noch nicht Teil von Graz war, erstmals der Einzug in den Gemeinderat. Ein Jahr später nahm die Steiermark mit der Wahl von Hans Resel und Josef Pongratz in den Grazer Gemeinderat erneut eine Vorreiterrolle ein. Die beiden roten Urgesteine waren die ersten Sozialdemokraten, die in die Gemeindevertretung einer österreichischen Großstadt einzogen. Damit konnte noch vor der Jahrhundertwende die uneingeschränkte Macht der herrschenden Klasse auch auf der Gemeindeebene herausgefordert werden.

Das Grazer Rathaus um 1900
Das Grazer Rathaus um 1900