1. Mai 1890: Die ersten Maifeiern

Die brutale Niederschlagung der Haymarket-Riots am 1. Mai 1886 in Chicago war ein Schock für die weltweite ArbeiterInnenbewegung. Am Gründungskongress der Zweiten Sozialistischen Internationale wurde daher beschlossen diesem Tag und den ArbeiterInnen die ihr Leben ließen in besonderer Erinnerung zu bewahren. Fortan sollte der 1. Mai alljährlich als Kampftag der Arbeiterschaft begangen werden. In Österreich ging die frisch geeinte Sozialdemokratie daran die Maifeierlichkeiten des Jahres 1890 vorzubereiten. Um ihren Forderungen nach Arbeitszeitverkürzung, Wahlrecht und Pressefreiheit Ausdruck zu verleihen wurde auch eine allgemeine Arbeitsniederlegung geplant. Überall in der Steiermark kam es im Frühjahr 1890 zu einer umfassenden Agitation für das sozialdemokratische Programm. So entstanden zahlreiche neue Arbeitervereine. Am 1. Mai ruhte dann fast überall die Arbeit. Besonders erfolgreich waren die Kundgebungen und Aufmärsche in Graz sowie den obersteirischen und weststeirischen Industrieregionen. Hans Resel schrieb später über die historischen Ereignisse: „Dieser Tag war mir wie Tausenden und aber Tausenden der denkwürdigste im Leben. Man war nicht der Arbeit entflohen, aus Lust die Natur zu genießen. Nein, sie ruhte, um kundzugeben, dass die Lohnsklaven aller Länder und Zungen des gleichen Sinnes sind, die Sklaverei zu brechen, die Freiheit des Wortes zu erringen, als Lohn für die Arbeit ihre Produkte zu genießen, den herrlichen Grundsatz: Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit zur Wahrheit zu machen“. Alleine in Graz nahmen 10.000 Personen an der Maifeier teil. Der 1. Mai 1890 markierte für die Sozialdemokratie den Aufbruch in Richtung Massenpartei. Sie sollte in den folgenden Jahren und Jahrzehnten zu einem bestimmenden Faktor in der österreichischen Politik werden.